Geschichte des Projektes «Elektroantrieb»

1984 entschied der Bundesrat, Ultralight (UL) in der Schweiz zu verbieten. Elektroantriebe für Hängegleiter waren noch kein Thema. Die damalige Entscheidung hatte demnach auch diese moderne und ökologische Weiterentwicklung verhindert.

2007: Vorabklärungen

Als frisch lizenzierten Motorschirm-Pilot mit DULV-Lizenz konnte ich (= Oliver) das erste Mal im Frühling 2007 das Thema «Elektroantrieb für Hängegleiter» mit dem damaligen SHV-Direktor (Hanspeter Denzler) und mit dem SHV-Präsidenten Daniel Riner in Basel vertiefen (Danke Sergio für den ersten Kontakt).

Das Projekt stiess auf Interesse und wohlwollende Unterstützung. Kritisch angemerkt wurde aber auch, dass es sich dabei um ein langfristiges Vorhaben handeln wird, weil die Zulassung von UL in der Schweiz auf politischer Ebene per Prinzip Widerstand auslöst, beinahe ein Tabu-Thema ist. Elektroantriebe hatten aber schon damals einen positiven Ruf und dies war nun die Chance, die es zu packen galt…

Herbst 2007 wurde das Projekt «Elektroantrieb» das erste Mal vor den SHV-Clubpräsidenten in Luzern vorgestellt. Konsultativ wurde abgestimmt, ob der SHV grundsätzlich erste Schritte für die Zulassung von Elektroantrieben unternehmen sollte. Erstaunlicherweise begrüssten fast alle anwesenden Clubpräsidenten die Initiative.

2008

Das Projekt wurde auch an der SHV-Generalversammlung Jahr 2008 in Locarno vorgestellt, ebenso wohlwollend aufgenommen. Und schliesslich zeigte eine Umfrage mit über 600 Piloten, dass 84% davon die Initiative vom SHV begrüsste, sich für Elektroantriebe zu engagieren (Umfrage 2008).

2009: Demoveranstaltung und Gesuch

Im Jahr 2009 fand in Anwesenheit von Vertretern des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) und des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) eine Demoveranstaltung in Bellechasse (Fotos) mit einem elektro-Gleitschirm und elektro-ATOS statt (Swiss Glider).

Die Anwesenden, auch die Vertreter vom BAFU, waren beeindruckt, wie leise diese Geräte waren. Beinahe zu leise: Vögel im Mittelland könnten erschrecken, wenn sie plötzlich einen Elektroantrieb in der Luft sehen würden, die sie vorher nicht gehört haben und Menschen könnten irritiert werden, wenn sie am Sonntag beim Grillieren einen Gleitschirm sehen würden, wo sie keinen erwarten.

Trotz diesen durchaus kreativen Bedenken von der Umweltseite wurden die Elektroantriebe grösstenteils positiv aufgenommen, was den SHV Mitte 2009 bewegte, offiziell beim BAZL ein Gesuch für ihre Legalisierung als Aufstiegshilfe zu stellen.

2010-2011: Vorprojekt

Im Jahr 2010 entschied das BAZL sich grundsätzlich mit dem Projekt «Elektroantrieb» zu beschäftigen und gab eine Vorstudie zum Thema in Auftrag. Die Ergebnisse der Vorstudie wurden im Frühling 2011 vor dem BAFU, Aeroclub und SHV vorgestellt. Ebenso wurde mitgeteilt, dass bis Anfang 2012 mit einer definitiven Entscheidung von amtlicher Seite zu rechnen war.

2012: Verzögerungen…

Anfang 2012 war dennoch ein neues Thema aktuell, nämlich die Zulassung von Instrumentalflügen (IFR) im Luftraum Golf. Das BAZL suspendierte das Projekt Elektroantrieb, um die Frage zu klären, ob die geplante Zulassung Auswirkungen für die Elektrofliegerei hat.

Erst in April 2012 konnten wir dem BAZL versichern, dass Hängegleiter mit Elektroantrieb für sich keine besonderen Lufträume beanspruchen. Somit war das IFR-Thema gar nicht relevant. Trotzdem verzögerte sich das Projekt Elektroantrieb um mindestens ein Jahr... und übrigens: Mitte Jahr 2016 wurden IFR-Flüge im Luftraum Golf immer noch nicht umgesetzt.

2013

2013 bekam ich vom BAZL eine Sonderbewilligung, die mir ermöglichte, mit Erlaubnis von Gemeinde und Landesbesitzer von beinahe überall in der Schweiz abzufliegen… und zwar ohne Flugplatzpflicht.

Die Reaktionen der Bevölkerung waren immer sehr freundlich und interessiert. Die einzige negative Reaktion kam einmal von einem Gleitschirmpilot, nicht, weil das Gerät laut war, sondern weil er glaubte, dass ich illegal fliege. Auch die SRF-Sendung Einstein berichtete dazu, für mich persönlich ein Highlight.



So erfreulich waren die Ergebnisse in der Praxis, so unsichtbar waren dieses Jahr die Fortschritte auf amtlicher Seite, mindestens von meiner Perspektive als externen Beobachter.

2014: Die Entscheidung

2014 schien dann endlich das Jahr zu sein, wo alles möglich wird. Die Zulassung der Elektroantriebe sollte bald Realität werden und zwar ohne Flugplatzpflicht!

September 2014 kam die kalte Dusche: Elektroantriebe für Hängegleiter wurden doch zulassen, aber nur als Trike und nur abfliegend von einem Flugplatz. Als ich diese Mitteilung in der Facebook-Gruppe «Hängegleiter mit Elektroantrieb» bekannt gab, waren viele Reaktionen bitter enttäuscht… auch für mich persönlich eine schwierige Zeit. Alle Lösungsansätze, die in den letzten Jahren besprochen wurden und auch die positiven Erfahrungen mit der Bevölkerung, schienen in der definitiven Entscheidung, gar keine Rolle gespielt zu haben.

Auf die Frage, warum Fussstarter verboten bleiben sollten (Trikes dagegen zugelassen sind) und was die Flugplatzpflicht bei Elektroantrieben mit einer Autonomie von 15 Minuten und geringen Lärmemissionen berechtigt, gab es keine nachvollziehbare Antwort von amtlicher Seite.

Für den SHV stellte sich die grundsätzliche Frage, ob unter diesen Bedingungen eine Fortführung des Projektes überhaupt sinnvoll ist oder als gescheitert betrachtet werden musste.

2015: Erste legale e-Flüge ohne Sonderbewilligung

Jahr 2015 kam doch unerwartet eine erste Lockerung der Bestimmungen. Auch Fussstarter werden zugelassen, eine Entscheidung, die vielleicht das Projekt „aus der Versenkung“ gerettet hat.

Und so konnten die ersten UL-Piloten, die vom BAZL eine Bewilligung erhielten, am 15. Juli 2015 in Schaffhausen das erste Mal nicht nur auf Rädern, sondern auch als Fussstarter legal mit einem Elektroantrieb in der Schweiz fliegen (siehe Artikel und Video der «Neue Luzerner Zeitung» ).

2016: e-Hängegleiter gehören nun offiziell zum SHV

Anschliessend bereitete der SHV alles vor, was erforderlich ist, um ab Mitte 2016, die ersten SHV-Lizenzen für Hängegleiter mit Elektroantrieb zu erteilen: Die klassische Hintergrundarbeit ist jene, die niemand sieht und den Eindruck entstehen lässt, dass der Verband inaktiv sei.

In Wirklichkeit traf sich die SHV-Arbeitsgruppe «Elektroantrieb» mehrmals, um die zahlreichen Bestimmungen zu besprechen. Gespräche fanden auch zwischen SHV und BAZL statt.

Dennoch gab es noch eine grosse Hürde zu bewältigen, nämlich die Zustimmung der SHV-Generalversammlung, dass trotz Flugplatzpflicht der Verband für Hängegleiter mit Elektroantrieb zuständig ist. Und die Zustimmung kam am 2. April 2016. Die grösste Mehrzahl der anwesenden Mitglieder hiess die Hängegleiter mit Elektroantrieb in der SHV-Familie herzlich willkommen. Konkret hiess es: Seit Juli 2016 ist der SHV für diese neue Sparte der Fliegerei zuständig.

Am 30. April 2016 wurde zudem der neue Verein Elektroflug Schweiz gegründet, mit dem Ziel den SHV zu unterstützen, das Fliegen mit Elektroantrieben für Hängegleiter zu fördern.

So lassen sich 9 Jahre Geschichte zusammenfassen. Als ich diese Texte schrieb, war Mai 2016. Die Geschichte geht nun weiter…